SteuerBeratung aus Düsseldorf für Düsseldorf.

Neue Entwicklungen zu der Frage: Ermäßigt zu besteuernde Speisenlieferung oder Restaurationsleistung?

Die Abgrenzung zwischen der mit 7 % ermäßigt besteuerten Lieferung von Speisen und der mit 19 % regelbesteuerten Restaurationsleistung gehört zu den Dauerbrennern im Umsatzsteuerrecht. Aktuell hat der Bundesfinanzhof hierzu Folgendes entschieden: Verkauft ein Brezelverkäufer auf dem Oktoberfest in Festzelten „Wiesnbrezn“ an die Gäste des personenverschiedenen Festzeltbetreibers, dann ist der ermäßigte Umsatzsteuersatz von 7 % für Lebensmittel anzuwenden.

Sachverhalt

Eine Steuerpflichtige pachtete während des Oktoberfestes Verkaufsstände in mehreren Festzelten an. Die von ihr beschäftigten „Breznläufer“ gingen durch die Reihen des Festzelts und verkauften die Brezeln an die an Bierzelttischen sitzenden Gäste des Festzeltbetreibers. Das Finanzamt sah hierin eine sonstige Leistung, die dem Regelsteuersatz unterliege. Begründung: Es liege ein überwiegendes Dienstleistungselement vor, weil der Steuerpflichtigen die von den Festzeltbetreibern bereitgestellte Infrastruktur (bestehend aus Zelt mit Biertischgarnituren und Musik) zuzurechnen sei. Das Finanzgericht München bestätigte dies. Der Bundesfinanzhof sah das erfreulicherweise aber anders.

Nach der aktuellen Entscheidung führt der Verkauf der Brezeln umsatzsteuerrechtlich zu einer Lieferung von Backwaren, die ermäßigt zu besteuern ist. Die in den Festzelten aufgestellten Biertischgarnituren, bestehend aus Tischen und Bänken, dienten den eigenen Gastronomieumsätzen des Festzeltbetreibers.

Für die Steuerpflichtige handelte es sich um fremde Verzehrvorrichtungen, an denen ihr kein eigenes Mitbenutzungsrecht zustand. Die Steuerpflichtige hatte keine Verfügungs- oder Dispositionsmöglichkeit an den Bierzeltgarnituren in dem Sinne erlangt, dass sie Festzeltbesuchern Sitzplätze im Festzelt zuweisen konnte. Zudem ist nicht davon auszugehen, dass Personen, die ausschließlich Brezeln erwarben, zur Nutzung der Bierzeltgarnituren auch dann berechtigt waren, wenn sie keine zusätzlichen Leistungen des Festzeltbetreibers für den Erwerb von dessen Getränken und Speisen in Anspruch nahmen.

PRAXISHINWEIS | Ob diese Entscheidung auch auf Imbisse in Food-Courts in Einkaufszentren übertragbar ist, ist fraglich. In 2016 hatte jedenfalls das Finanzgericht Hamburg entschieden, dass es sich bei der Zurverfügungstellung der Tische und Stühle an die Kunden um ein dem Imbissbetreiber zuzurechnendes Dienstleistungselement handelt. Die weitere Entwicklung bleibt vorerst abzuwarten.

Quelle | BFH-Urteil vom 3.8.2017, Az. V R 15/17; FG Hamburg, Urteil vom 7.4.2016, Az. 6 K 132/15


Europäischer Gerichtshof zur Soll-Besteuerung bei der Umsatzsteuer gefragt

Der Bundesfinanzhof zweifelt an der uneingeschränkten Pflicht zur Vorfinanzierung der Umsatzsteuer durch Unternehmer bei der Soll-Besteuerung. Daher hat er ein Vorabentscheidungsersuchen an den Europäischen Gerichtshof gerichtet.

Hintergrund: Bei der Soll-Besteuerung ist die Umsatzsteuer grundsätzlich mit der Leistungsausführung abzuführen, was die Liquidität belasten kann. Unter Voraussetzungen (z. B. Umsatz im vorangegangenen Jahr nicht mehr als 500.000 EUR) kann eine Besteuerung per Antrag auch erst im Vereinnahmungszeitpunkt erfolgen (Ist-Besteuerung).

Beachten Sie | Bei der Soll-Besteuerung hat der Bundesfinanzhof in 2013 eine Steuerberichtigung bei Leistungserbringung zugelassen, soweit ein Unternehmer seinen Entgeltanspruch wegen eines vertraglichen Einbehalts zur Absicherung von Gewährleistungsansprüchen über einen Zeitraum von zwei bis fünf Jahren nicht verwirklichen kann. Die Verwaltung wendet diese Entscheidung zwar an – aber nur mit erheblichen Einschränkungen. So darf z. B. eine Absicherung durch eine Bankbürgschaft nicht möglich sein.

Sachverhalt

Im Streitfall setzte der Vergütungsanspruch einer im bezahlten Fußball tätigen Spielervermittlerin grundsätzlich voraus, dass der Spieler

beim neuen Verein einen Vertrag unterschrieb und die DFL-GmbH als Lizenzgeber eine Spielerlaubnis erteilte. Die Zahlungen waren in Raten verteilt auf die Laufzeit des Arbeitsvertrags zu leisten, wobei die Fälligkeit und das Bestehen der einzelnen Ratenansprüche unter der Bedingung des Fortbestehens des Vertrags zwischen Verein und Spieler standen.

Das Finanzamt ging davon aus, dass die Vermittlerin ihre in 2012 erbrachten Leistungen auch insoweit bereits in 2012 zu versteuern habe, als sie Entgeltbestandteile vertragsgemäß erst in 2015 beanspruchen konnte.

Der Bundesfinanzhof bezweifelt, ob diese jahrzehntelang geübte Besteuerungspraxis mit den Vorgaben des Unionsrechts vereinbar ist. Auf seine Vorlage hin soll der Europäische Gerichtshof nun insbesondere entscheiden, ob der Steuerpflichtige verpflichtet ist, die für die Leistung geschuldete Steuer für einen Zeitraum von zwei Jahren vorzufinanzieren, wenn er die Vergütung für seine Leistung (teilweise) erst zwei Jahre nach Entstehung des Steuertatbestands erhalten kann.

Praxisrelevanz für viele Fälle

Die vorgelegten Fragen beziehen sich primär auf bedingte Vergütungsansprüche, können aber auch bei befristeten Zahlungsansprüchen, wie z. B. beim Ratenverkauf im Einzelhandel oder bei einzelnen Formen des Leasings bedeutsam sein. Auch hier besteht bisher die Pflicht, die Umsatzsteuer für die Warenlieferung bereits mit der Übergabe der Ware vollständig abzuführen. Dies gilt auch dann, wenn der Unternehmer einzelne Ratenzahlungen erst über eine Laufzeit von mehreren Jahren vereinnahmen kann.

Quelle | BFH, Beschluss (EuGH-Vorlage) vom 21.6.2017, Az. V R 51/16; BFH, PM Nr. 59 vom 20.9.2017; BFH-Urteil vom 24.10.2013, Az. V R 31/12


Differenzbesteuerung auch beim „Ausschlachten“ von Gebrauchtfahrzeugen

Die Differenzbesteuerung ist auch anwendbar, wenn ein Unternehmer Gegenstände liefert, die er gewonnen hat, indem er zuvor von ihm erworbene Gebrauchtfahrzeuge zerlegt hat. Mit dieser Entscheidung widerspricht der Bundesfinanzhof ausdrücklich der bisherigen Ansicht der Verwaltung.

Hintergrund: Unter gewissen Voraussetzungen können Unternehmer die Differenzbesteuerung anwenden. Diese betrifft typischerweise Waren, die ein Wiederverkäufer von Nicht- oder Kleinunternehmern und damit ohne Umsatzsteuerausweis erworben hat. Die Umsatzbesteuerung ist auf die Marge, d. h. auf die Differenz zwischen dem Ein- und Verkaufspreis, beschränkt.

Beispiel

Ein Gebrauchtwagenhändler nimmt einen Pkw von einer Privatperson für 12.000 EUR in Zahlung und verkauft ihn für 19.000 EUR weiter. Die Umsatzsteuer ist wie folgt zu ermitteln:

  • 19.000 EUR – 12.000 EUR = 7.000 EUR
  • 7.000 EUR/1,19 = 5.882,35 EUR
  • 5.882,35 x 0,19 = 1.117,65 EUR

Die Umsatzsteuer beträgt 1.117,65 EUR. Bei Anwendung der Differenzbesteuerung ist zwingend darauf zu achten, dass die Umsatzsteuer in der Rechnung nicht offen ausgewiesen wird.

Im Streitfall ging es um die Frage, ob der Verkauf von gebrauchten Fahrzeugteilen, die ein Unternehmer zuvor aus von Privatpersonen erworbenen Altfahrzeugen ausgebaut hatte, der Differenzbesteuerung unterliegt. Der Unternehmer wandte die Differenzbesteuerung an, das Finanzamt lehnte diese ab.

Der Bundesfinanzhof hatte in diesem Verfahren zunächst eine Verfahrensruhe beschlossen, da er eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in einem anderen Streitfall abwarten wollte. Dieser entschied Anfang 2017, dass ein Verwerter von Alt- und Schrottfahrzeugen ausgebaute Gebrauchtteile aus von privat angeschafften Fahrzeugen differenzbesteuert weiterverkaufen darf. Wegen der gebotenen richtlinienkonformen Auslegung hat der Bundesfinanzhof diese Rechtsprechung nunmehr übernommen.

Quelle | BFH-Urteil vom 23.2.2017, Az. V R 37/15; EuGH-Urteil vom 18.1.2017, Rs. C-471/15


Neues Verwaltungsschreiben zur Behandlung der Bauträger-Altfälle

Bei bestimmten Bauleistungen schuldet der Leistungsempfänger die Umsatzsteuer, wenn er selbst Bauleistungen erbringt. Bei der Behandlung der sogenannten Bauträger-Altfälle – dies sind Bauleistungen, die vor dem 15.2.2014 erbracht wurden – haben inzwischen selbst Steuerexperten den Überblick verloren. Dies ist nicht zuletzt den zahlreichen Urteilen und Verwaltungsschreiben geschuldet. Nun gibt es ein neues Schreiben des Bundesfinanzministeriums, das (leider) erneut Fragen offenlässt.

Hintergrund

Die für die Baubranche verankerte Übertragung der Steuerschuldnerschaft auf den Leistungsempfänger hatte die Finanzverwaltung ab 2010 per Verwaltungsanweisung auch auf bauleistungsempfangene Bauträger ausgedehnt.Allerdings hatte der Bundesfinanzhof eine solche Übertragung der Steuerschuldnerschaft eingeengt.

Der Gesetzgeber besserte für die Zukunft nach und schuf eine Übergangsregelung für Altfälle (Stichtag: 15.2.2014), um bei der Rückerstattung der gezahlten Steuern an den Bauträger den eigentlichen Steuerschuldner (Bauhandwerker) nachträglich belasten zu können. Zur Vereinfachung des Verfahrens wurde geregelt, dass der leistende Unternehmer seinen dann gegenüber dem Leistungsempfänger zivilrechtlich entstehenden Anspruch auf Nachzahlung der Umsatzsteuer an das Finanzamt abtreten kann, welches im Anschluss mit der Erstattungsforderung des Leistungsempfängers gegenüber dem Fiskus aufrechnen wird.

Sowohl die Rückwirkung dieser Regelung als auch die Nachbelastung der leistenden Unternehmer lösten zahlreiche Verfahren aus. Mit einer aufsehenerregenden Entscheidung präsentierte der Bundesfinanzhof in diesem Jahr einen Lösungsvorschlag: Eine Umsatzsteuerfestsetzung kann gegenüber dem leistenden Unternehmer nur dann (zu seinem Nachteil) geändert werden, wenn ihm ein abtretbarer Anspruch auf Zahlung der gesetzlich entstandenen Umsatzsteuer gegen den Leistungsempfänger zusteht.

Beachten Sie | Nach der Entscheidung hat das Finanzamt eine Abtretung auch dann anzunehmen, wenn der Steueranspruch bereits durch Zahlung getilgt war. Auf das Vorliegen einer Rechnung mit gesondertem Steuerausweis kommt es nicht an.

Das Verwaltungsschreiben

Das Bundesfinanzministerium hat sich nun zu den Auswirkungen der neuen Rechtsprechung positioniert und wendet diese im Wesentlichen an. Das umfangreiche Verwaltungsschreiben ersetzt das Schreiben vom 31.7.2014 und ist in allen offenen Fällen anzuwenden. Einige Punkte werden dargestellt:

Beantragt der Leistungsempfänger für eine vor dem 15.2.2014 ausgeführte steuerpflichtige Bauleistung die Erstattung der von ihm abgeführten Umsatzsteuer, ist die gegen den leistenden Unternehmer wirkende Umsatzsteuerfestsetzung für noch nicht festsetzungsverjährte Besteuerungszeiträume zu ändern. Voraussetzung: Dem leistenden Unternehmer muss ein abtretbarer Anspruch auf Zahlung der gesetzlich entstandenen Umsatzsteuer gegen den Leistungsempfänger zustehen oder zugestanden haben.

Beachten Sie | Somit kann die Steuerfestsetzung gegenüber dem leistenden Unternehmer auch dann geändert werden, wenn dem leistenden Unternehmer im Zeitpunkt der Änderung deshalb kein zivilrechtlicher Anspruchgegenüber dem Leistungsempfänger mehr zusteht, weil dieser bereits durch Erfüllung oder Verzicht erloschen ist.

Der leistende Unternehmer kann die gesetzlich entstandene und von ihm geschuldete Umsatzsteuer zivilrechtlich gegenüber dem Leistungsempfänger zusätzlich zum Netto-Entgelt geltend machen. In den Fällen, in denen die Vertragspartner ein Abtretungsverbot vereinbart haben, steht dies einer Änderung der Steuerfestsetzung nicht entgegen.

Kritikpunkte

Die Reaktion auf die neue Verwaltungsanweisung ist geteilt. Kritiker weisen u. a. darauf hin, dass (viele) Fragen offengeblieben sind. Zum Beispiel enthält das Schreiben keine Erläuterungen zur Zinsfestsetzung auf die Erstattungsanträge des Bauträgers.

Ferner bemängelt der Steuerberaterverband Niedersachsen Sachsen-Anhalt u. a. folgende Aussage: Leistungsempfängern werden Umsatzsteuer-Erstattungen nur gewährt, wenn nachgewiesen wird, dass der Umsatzsteuerbetrag an den Subunternehmer bezahlt worden ist oder aber mit der vom Subunternehmer abgetretenen Forderung aufgerechnet werden kann. In anderen Fällen wird der Antrag abgelehnt.

Diese Meinung steht im Widerspruch zu einer Entscheidung des Finanzgerichts Münster, wonach die Steuerschuldnerschaft des Bauträgers unabhängig davon entfällt, ob der Bauträger die Umsatzsteuer an den leistenden Bauunternehmer erstattet.

Pikant: Die Finanzverwaltung hatte gegen das Urteil Revision eingelegt (Az. V R 6/17). Da diese aber nun zurückgenommen worden ist, wird es eine höchstrichterliche Entscheidung zu diesem Verfahren (leider) nicht geben.

PRAXISHINWEIS | Positiv ist, dass die Finanzverwaltung zeitnah Stellung bezogen hat und das Urteil des Bundesfinanzhofs im Wesentlichen anwendet. Da allerdings Fragen offengeblieben sind, werden die Bauträger-Altfälle die Gerichte wohl weiterhin beschäftigen.

Quelle | BMF-Schreiben vom 26.7.2017, Az. III C 3 – S 7279/11/10002-09; Steuerberaterverband Niedersachsen Sachsen Anhalt: „Neues zu den Bauleistungen: Umsatzsteuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers bei Bauleistungen“, Stand: 24.8.2017; BFH-Urteil vom 23.2.2017, Az. V R 16, 24/16; FG Münster, Urteil vom 31.1.2017, Az. 15 K 3998/15 U


Umsatzsteuerliche Behandlung der unentgeltlichen Wertabgabe von Sachspenden

Die Oberfinanzdirektion Niedersachsen hat jüngst dazu Stellung bezogen, wie die umsatzsteuerliche Bemessungsgrundlage für Sachspenden zu ermitteln ist.

Sachspenden unterliegen grundsätzlich der Umsatzsteuer. Die Umsatzbesteuerung dient der Kompensation des vorangegangenen Vorsteuerabzugs und verhindert einen systemwidrigen unversteuerten Letztverbrauch.

Beachten Sie | Die Bemessungsgrundlage einer Sachspende bestimmt sich nicht nach den ursprünglichen Anschaffungs- und Herstellungskosten, sondern nach dem fiktiven Einkaufspreis im Zeitpunkt der Spende. Das gilt auch für im Unternehmen selbst hergestellte Gegenstände.

Spendet ein Unternehmer Waren, die nicht mehr verkäuflich sind, wird der Wert regelmäßig gegen 0 EUR tendieren. Dies gilt z. B. für Lebensmittel, die kurz vor Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums stehen und Frischwaren, wie Obst und Gemüse mit Mängeln.

Beachten Sie | Auch bei Artikeln im Non-Food-Bereich kann sich eine Verkaufsunfähigkeit ergeben. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn die Waren wegen eines Verpackungsfehlers oder einer Falschetikettierungvernichtet werden müssten oder bei erheblichen Materialfehlern nur schwer zu verkaufen sind. Hier ist ein entsprechend geringer Marktpreis als Bemessungsgrundlage zugrunde zu legen, sodass entweder keine oder nur eine geringe Umsatzsteuer entsteht.

Quelle | OFD Niedersachsen, Verfügung vom 27.3.2017, Az. S 7109 – 31 – St 171


Keine Umsatzsteuerpflicht für Fahrschulunterricht?

Der Bundesfinanzhof zweifelt an der Umsatzsteuerpflicht für die Erteilung von Fahrunterricht zum Erwerb der Fahrerlaubnisklassen B („Pkw-Führerschein“) und C1. Er hat daher dem Europäischen Gerichtshof die Frage vorgelegt, ob Fahrschulen insoweit steuerfreie Leistungen erbringen.

Gegenwärtig kommt eine Steuerfreiheit der Umsätze insoweit in Betracht, als Fahrschulen Lehrgänge zur Ausbildung für die Fahrerlaubnis der Klassen C, CE, D, DE, D1, D1E, T und L durchführen, da diese Leistungen aus Sicht der Finanzverwaltung in der Regel der Berufsausbildung dienen.

Im Streitfall ging es jedoch um die Erteilung von Fahrunterricht zum Erwerb der Fahrerlaubnisklassen B und C1 – und hier besteht nach deutschem Recht eine Umsatzsteuerpflicht. Fahrschulen sind insoweit keine allgemeinbildenden oder berufsbildenden Einrichtungen, wie es das Umsatzsteuergesetz für die Steuerfreiheit voraussetzt. Im Streitfall fehlte es zudem an der dort genannten berufs- oder prüfungsvorbereitenden Bescheinigung.

Mit dem Vorabentscheidungsersuchen des Bundesfinanzhofs soll geklärt werden, ob der Fahrschulunterricht zum Erwerb der Fahrerlaubnisklassen B und C1 aus Gründen des Unionsrechts steuerfrei ist. Bei der Umsatzsteuer hat der nationale Gesetzgeber nämlich die Bindungen der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie (MwStSystRL) zu beachten. Setzt das nationale Recht eine Steuerfreiheit der Richtlinie nur ungenügend um, besteht für den Steuerpflichtigen die Möglichkeit, sich auf die Richtlinie zu berufen.

Nach Artikel 132 MwStSystRL sind Umsätze steuerfrei, die durch „Erziehung von Kindern und Jugendlichen, Schul- und Hochschulunterricht, Aus- und Fortbildung sowie berufliche Umschulung und damit eng verbundene Dienstleistungen“ entstehen. Ebenfalls steuerfrei ist „von Privatlehrern erteilter Schul- und Hochschulunterricht“. Da die Auslegung der Richtlinie zweifelhaft ist, hat der Bundesfinanzhof dem Europäischen Gerichtshof nun diverse Fragen zur Umsatzsteuerpflicht für die Erteilung von Fahrschulunterricht vorgelegt.

PRAXISHINWEIS | Der Bundesfinanzhof weist darauf hin, dass die vom Europäischen Gerichtshof zu treffende Entscheidung von erheblicher Bedeutung für die Umsatzbesteuerung der über 10.000 Fahrschulen in Deutschland ist. Fahrschulen sollten Steuerfestsetzungen daher offenhalten.

Quelle | BFH, Beschluss vom 16.3.2017, Az. V R 38/16; BFH, PM Nr. 49 vom 26.7.2017


Zweites Bürokratieentlastungsgesetz: Obacht bei der Vernichtung der Lieferscheine

Nach der Verkündung des Zweiten Bürokratieentlastungsgesetzes im Bundesgesetzblatt sind Lieferscheine nicht mehr aufbewahrungspflichtig, wenn sie keine Buchungsbelege sind. Bei empfangenen (abgesandten) Lieferscheinen endet die Aufbewahrungsfrist mit dem Erhalt (mit dem Versand) der Rechnung. Dies gilt erstmals für Lieferscheine, deren Aufbewahrungsfrist in der bis zum 31.12.2016 geltenden Fassung der Abgabenordnung noch nicht abgelaufen ist. Bei dieser Bürokratieabbaumaßnahme muss jedoch auch die Umsatzsteuer beachtet werden, wonach sich eine Aufbewahrungspflicht ergeben kann.

Handelt es sich um keine Kleinbetragsrechnung (250 EUR-Grenze), muss die Rechnung zahlreiche Angaben enthalten, um zum Vorsteuerabzug zu berechtigen. Eine Rechnung kann indes auch aus mehreren Dokumenten bestehen. In einem dieser Dokumente sind das Entgelt und der Steuerbetrag jeweils zusammengefasst anzugeben und alle anderen Dokumente zu bezeichnen, aus denen sich die übrigen Angaben ergeben.

Nimmt die Rechnung nun auf den Lieferschein Bezug (z. B. hinsichtlich des Liefer- oder Leistungszeitpunkts), wird der Lieferschein zum umsatzsteuerlichen Rechnungsbestandteil und darf demzufolge auch künftig nicht vorzeitig vernichtet werden.

Quelle | Zweites Gesetz zur Entlastung insbesondere der mittelständischen Wirtschaft von Bürokratie (Zweites Bürokratieentlastungsgesetz) vom 30.6.2017, BGBl I 2017, S. 2143


Erweiterte Gebrauchtwagengarantie ist umsatzsteuerpflichtig

Nach Meinung des Finanzgerichts Niedersachsen erbringt ein Autohaus, das mit einem Fahrzeugverkauf eine erweiterte Gebrauchtwagengarantie anbietet, eine einheitliche Leistung, die insgesamt mit 19 % zu besteuern ist.

Die Garantiezusage ist eine einheitliche untrennbare Leistung, die durch das Versprechen der Einstandspflicht des Händlers beim Gebrauchtwagenkauf geprägt ist (Kombinationsmodell). Diese ist einheitlich nach dem dominierenden Bestandteil, dem Fahrzeugkauf, zu besteuern. Es bleibt abzuwarten, ob sich der Bundesfinanzhof dieser Meinung in der Revision anschließen wird.

Quelle | FG Niedersachsen, Urteil vom 23.2.2017, Az. 11 K 134/16, Rev. BFH Az. XI R 16/17


Bundesfinanzhof durchschlägt gordischen Knoten in Bauträger-Altfällen

Seit geraumer Zeit ringen die Finanzverwaltung und die Finanzgerichte um eine verfassungsgerechte Lösung in sogenannten Bauträger-Altfällen. Aktuell hat der Bundesfinanzhof hierzu entschieden und damit wohl den gordischen Knoten in den meisten Fällen durchschlagen. Denn nach der Entscheidung kann eine Umsatzsteuerfestsetzung gegenüber dem leistenden Unternehmer nur dann zu seinem Nachteil geändert werden, wenn ihm ein abtretbarer Anspruch auf Zahlung der Umsatzsteuer gegenüber dem Leistungsempfänger zusteht.

Hintergrund und Rückblick

In § 13b Umsatzsteuergesetz (= UStG) sind bestimmte Fälle aufgeführt, in denen der Leistungsempfänger (also nicht der leistende Unternehmer) die Umsatzsteuer gegenüber dem Finanzamt schuldet. Dies wird als Übertragung der Steuerschuldnerschaft bezeichnet.

Die für die Baubranche verankerte Übertragung der Steuerschuldnerschaft auf den Leistungsempfänger hatte die Finanzverwaltung ab 2010 per Verwaltungsanweisung auch auf bauleistungsempfangende Bauträger ausgedehnt. Somit erstellten die an Bauträger leistenden Unternehmer fortan „Nettorechnungen“ und überließen die Abführung der Umsatzsteuer den Bauträgern. Diese konnten jedoch wegen ihrer zumeist steuerfreien Verkaufsumsätze keinen (spiegelbildlichen) Vorsteuerabzug geltend machen.

Als der Bundesfinanzhof die Einbeziehung der Bauträger in die Anwendung des § 13b UStG als rechtswidrig verwarf, rollte auf die Finanzämter eine Antragswelle mit Rückerstattungsforderungen der Bauträger zu. Dies wollte der Gesetzgeber mit einem Reparaturversuch verhindern:

Zum einen wurde der alte Status quo (zumindest weitgehend) wiederhergestellt. Denn nach dem geänderten § 13b UStG wird der Leistungsempfänger für bezogene Bauleistungen dann zum Steuerschuldner, wenn er ein Unternehmer ist, der nachhaltig entsprechende Leistungen erbringt. Davon ist auszugehen, wenn ihm das Finanzamt eine im Zeitpunkt der Ausführung des Umsatzes gültige Bescheinigung darüber erteilt hat.

Für Altfälle wurde § 27 Abs. 19 UStG eingefügt. Hier wurde rückwirkend (für Umsätze, die vor dem 15.2.2014 ausgeführt wurden) geregelt, dass in den Fällen, in denen die Leistungsempfänger nachträglich einen Korrekturantrag stellen, die Steuer bei den leistenden Unternehmern nachzufordern ist. Zur Vereinfachung des Verfahrens wurde geregelt, dass der leistende Unternehmer in diesen Fällen seinen dann gegenüber dem Leistungsempfänger zivilrechtlich entstehenden Anspruch auf Nachzahlung der Umsatzsteuer an das Finanzamt abtreten kann, welches im Anschluss mit der Erstattungsforderung des Leistungsempfängers gegenüber dem Fiskus aufrechnen wird.

Der rückwirkende Regelungsinhalt des § 27 Abs. 19 UStG und die Nachbelastung der leistenden Unternehmer löste zahlreiche zivil- und finanzgerichtliche Verfahren aus. In der Praxis wartete man seitdem gespannt auf höchstrichterliche Entscheidungen in einem Hauptsacheverfahren – und eine derartige Entscheidung liegt nun vor.

Entscheidung des Bundesfinanzhofs

Das Finanzamt darf die Umsatzsteuerfestsetzung nach § 27 Abs. 19 UStG gegenüber dem leistenden Unternehmer nur dann ändern, wenn diesem ein abtretbarer Anspruch auf Zahlung der gesetzlich entstandenen Umsatzsteuer gegen den Leistungsempfänger zusteht.

Diese zusätzliche Änderungsvoraussetzung ergibt sich aus einer Auslegung von § 27 Abs. 19 UStG nach Normzweck, Sinnzusammenhang und Wortlaut. Dabei ist zudem der Grundsatz der unionsrechtskonformen Auslegung zu berücksichtigen.

Kurzum: Der leistende Unternehmer wird auf diese Weise vollständig von der Umsatzsteuer auf seine Leistungen entlastet. Er steht dann so, wie er stünde, wenn alles von vornherein richtig beurteilt worden wäre.

Offene Fragen

Beim Bundesfinanzhof gibt es zwei Umsatzsteuersenate. Entschieden hat vorerst aber nur der V. Senat des Bundesfinanzhofs, sodass eine abweichende Sichtweise des XI. Senats zumindest denkbar ist.

Zudem betrifft die aktuelle Entscheidung nur die Seite des bauleistenden Unternehmers. Hinsichtlich der Erstattungsanträge der Bauträger ist noch unklar, ob die Finanzverwaltung diesen tatsächlich die Auszahlung der zu Unrecht abgeführten Umsatzsteuer verweigern kann, bis der Bauträger die Rückzahlung der Umsatzsteuer-Differenz an den Bauleistenden nachweist. Diese Frage hat der Bundesfinanzhof ausdrücklich offengelassen.

Beachten Sie | Das Finanzgericht Münster hat zu dieser Frage die Ansicht vertreten, dass die Umsatzsteuerschuldnerschaft des Bauträgers unabhängig davon entfällt, ob der Bauträger die Umsatzsteuer an den leistenden Bauunternehmer erstattet. Die Finanzverwaltung hat hiergegen aber bereits Revision eingelegt.

In diesem Sinne stellt die vorliegende Entscheidung nur eine Etappe im wohl noch längeren Weg zur verfassungs- und unionsrechtlichen Klärung und nachfolgenden Abwicklung der Bauträger-Altfälle dar.

Quelle | BFH-Urteil vom 23.2.2017, Az. V R 16, 24/16; FG Münster, Urteil vom 31.1.2017, Az. 15 K 3998/15 U, Rev. BFH Az. V R 6/17


Vorsteuerabzug: Zuordnung muss bis zum 31.5. erfolgen

Der Vorsteuerabzug bei nicht nur unternehmerisch genutzten Gegenständen (z. B. Fotovoltaikanlagen) setzt eine Zuordnung zum Unternehmensvermögen voraus. Wurde die Zuordnung bei der Umsatzsteuer-Voranmeldung nicht dokumentiert, ist sie spätestens bis zur gesetzlichen Abgabefrist für Steuererklärungen (31.5. des Folgejahres) zu erklären. Fristverlängerungen für die Abgabe der Steuererklärungen verlängern die Frist nicht.

Wurden gemischt genutzte Gegenstände in 2016 erworben und erfolgte noch keine Zuordnung, sollte sie dem Finanzamt mit formlosem Schreiben angezeigt werden. Dies gilt zumindest dann, wenn dem Finanzamt die Jahreserklärung 2016 nicht bis zum 31.5.2017 vorliegen wird.


Page 10 of 15First...91011...Last

News