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Umsatzsteuerfrei: Leistungen im Zusammenhang mit betreutem Wohnen

Nach einer Entscheidung des Finanzgerichts Münster sind Leistungen im Zusammenhang mit betreutem Wohnen umsatzsteuerfrei.

Sachverhalt

Eine GmbH betrieb eine Seniorenresidenz, bestehend aus einem Pflegeheim und sieben Wohnungen des betreuten Wohnens. Die Wohnungen befanden sich im Gebäude des Pflegeheims. Mit den Bewohnern des betreuten Wohnens schloss die GmbH Betreuungsverträge ab, die diverse Leistungen einer (erweiterten) Grundversorgung und Wahlleistungen einschließlich eines Notrufsystems umfassten. Die Leistungen wurden durch das im Pflegeheim eingesetzte Personal erbracht.

Die GmbH war der Ansicht, dass diese Umsätze teilweise umsatzsteuerfrei seien, soweit die entsprechenden Leistungen eng mit der Pflege und Betreuung hilfsbedürftiger Personen zusammenhingen. Dem folgte das Finanzamt bei den Umsatzsteuerveranlagungen allerdings nicht. Die hiergegen gerichtete Klage war erfolgreich.

Die gegenüber einzelnen Bewohnern erbrachten Umsätze des betreuten Wohnens sind in dem von der GmbH beantragten Umfang gemäß § 4 Nr. 16 Umsatzsteuergesetz (UStG) steuerfrei.

Nach dieser Vorschrift sind die eng mit dem Betrieb von Einrichtungen zur Betreuung oder Pflege körperlich, geistig oder seelisch hilfsbedürftiger Personen verbundenen Leistungen steuerfrei, die von

  • juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder
  • bestimmten Einrichtungen erbracht werden.

Im Streitfall zählten die Bewohner des betreuten Wohnens zum Kreis der hilfsbedürftigen Personen im Sinne des § 4 Nr. 16 S. 1 UStG, weil sie an altersbedingten Einschränkungen der Alltagskompetenzen litten. Die im Rahmen des betreuten Wohnens erbrachten Leistungen waren auch eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbunden.

Die GmbH bot den Bewohnern des betreuten Wohnens ein breites Angebot an Leistungen an, die zur ambulanten Pflege gehören und der Altenhilfe im Sinne des § 71 Sozialgesetzbuch (SGB) XII zuzurechnen sind. Hierzu gehörten verschiedene Betreuungsleistungen im Rahmen der ambulanten Pflege, aber auch die Bereitstellung eines Notrufdienstes und bedarfsweise die kurzfristige Übernahme pflegerischer Leistungen, die hauswirtschaftliche Versorgung, das Einkaufen, Kochen, Reinigen der Wohnung und das Waschen der Kleidung.

Soweit diese Leistungen auch der Befriedigung von Grundbedürfnissen dienten, sind diese spezifisch auf die Behebung altersspezifischer Einschränkungen gerichtet. Denn auch diese Leistungen werden durch das im Pflegeheim eingesetzte und hierfür geschulte Personal erbracht.

Beachten Sie | Da das Finanzgericht Münster die Leistungen der GmbH bereits nach § 4 Nr. 16 S. 1 UStG als steuerfrei einstufte, brauchte es nicht darüber zu entscheiden, ob die Vorschrift mit dem Unionsrecht unvereinbar ist und die Leistungen der GmbH aus dem betreuten Wohnen nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Mehrwertsteuersystemrichtlinie umsatzsteuerfrei wären.

Quelle |FG Münster, Urteil vom 25.1.2022, Az. 15 K 3554/18 U, unter www.iww.de, Abruf-Nr. 227790; FG Münster, PM Nr. 6 vom 1.3.2022


Umsatzsteuerliche Organschaft: Festsetzungen sollten offengehalten werden!

Der Bundesfinanzhof hat dem Europäischen Gerichtshof vor einiger Zeit u. a. die Frage vorgelegt, wer bei einer umsatzsteuerlichen Organschaft die Umsatzsteuer schuldet. Ist es – wie es das deutsche Umsatzsteuergesetz (UStG) vorsieht – der Organträger oder vielmehr der Organkreis (also die Mehrwertsteuergruppe)? Inzwischen liegen die Schlussanträge der Generalanwältin vor. Sollte der Europäische Gerichtshof der darin ausgeführten Sichtweise folgen, könnte dies immense Auswirkungen für den deutschen Fiskus haben.

Hintergrund

Nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG wird die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nicht selbstständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist (Organschaft). Die Wirkungen der Organschaft sind auf Innenleistungen zwischen den im Inland gelegenen Unternehmensteilen beschränkt. Diese Unternehmensteile sind als ein Unternehmen zu behandeln.

Die umsatzsteuerrechtliche Organschaft führt also zu einer Zusammenfassung mehrerer Unternehmen zu einem Steuerpflichtigen. Demzufolge werden Leistungsbeziehungen zwischen diesen Unternehmen nicht mehr besteuert.

Der Organträger ist Steuerschuldner auch für die Umsätze, die andere eingegliederte Organgesellschaften gegenüber Dritten ausführen.

Schlussanträge

Die Generalanwältin Laila Medina hält die deutsche Regelung im Grundsatz für nicht EU-rechtskonform. Ihrer Ansicht nach ist die EU-Regelung dahin auszulegen, dass sie der Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, die nur das die Gruppe beherrschende Mitglied (Organträger) unter Ausschluss der übrigen Mitglieder der Gruppe als Vertreter der Mehrwertsteuergruppe und als Steuerpflichtigen dieser Gruppe bestimmt.

Beachten Sie | Im Gegensatz zum deutschen Recht hält die Generalanwältin auch steuerpflichtige Umsätze zwischen den Gruppenmitgliedern für möglich. Dies hat der Europäische Gerichtshof aber bisher anders gesehen.

Handlungsempfehlungen

Wie bereits erwähnt, handelt es sich vorerst „nur“ um Schlussanträge. Abzuwarten bleiben also die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs und die Folgeentscheidungen des Bundesfinanzhofs.

Sofern hier der Sichtweise der Generalanwältin gefolgt wird, ist nicht mehr der Organträger Steuerschuldner für die Umsätze der Organschaft. Insofern dürften die gegen den Organträger erlassenen Umsatzsteuer-Bescheide rechtswidrig sein.

Daher steht im Raum, dass die an das Finanzamt abgeführte Umsatzsteuer zurückverlangt werden kann, wenn dies verfahrensrechtlich noch möglich ist. Es ist jedoch ebenfalls vorstellbar, dass letztlich „kreative Lösungen“ gefunden werden, um einen fiskalischen Totalausfall zu vermeiden.

Beachten Sie | Grundsätzlich (unter Ausblendung des Einzelfalls) ist zu empfehlen, etwaige Umsatzsteuer-Festsetzungen vorerst offenzuhalten.

Quelle | Schlussanträge der Generalanwältin Laila Medina vom 13.1.2022, Rs. C‑141/20; BFH, Beschluss vom 11.12.2019, Az. XI R 16/18, EuGH, Rs. C-141/20; Schlussanträge der Generalanwältin Laila Medina vom 27.1.2022, Rs. C‑269/20; BFH, Beschluss vom 7.5.2020, Az. V R 40/19, EuGH, Rs. C-269/20


Aktuelles zum Vorsteuerabzug aus Aufwendungen für Trikot-Sponsoring

Das Finanzgericht Niedersachsen hat jüngst über die Frage entschieden, ob Vorsteuerbeträge aus dem Erwerb von Sportbekleidung mit Werbeaufdrucken (Trikot-Sponsoring) abzugsfähig sind.

Sachverhalt

Der Betreiber einer Fahrschule (im Folgenden A genannt) hatte in den Streitjahren Sportbekleidung mit dem Werbeaufdruck „Fahrschule X“ erworben und die Trikots verschiedenen Vereinen in der Region rund um seine Fahrschule unentgeltlich zur Verfügung gestellt. Es handelte sich vor allem um Jugendmannschaften in unterschiedlichen Sportarten.

Nach einer Außenprüfung wurden die entsprechenden Vorsteuerbeträge vom Finanzamt nicht steuermindernd berücksichtigt. Zur Begründung führte es an, dass die Spiele der Mannschaften vor allem solche im Jugendbereich beträfen, die kaum Publikum anziehen würden. Es sei deshalb davon auszugehen, dass die Aufdrucke keine nennenswerte Werbewirkung erzielen würden. Das Überlassen der Sportbekleidung sei deshalb dem ideellen Bereich zuzuordnen, die Vorsteuer also nicht abziehbar. Das Finanzgericht Niedersachsen war hier aber anderer Meinung.

Hintergrund

Auch gemeinnützige Vereine können als Unternehmer im Sinne von § 2 Abs. 1 Umsatzsteuergesetz (UStG) tätig werden. Hierbei ist jedoch die ideelle Tätigkeit, also die Tätigkeit im eigentlichen Gemeinnützigkeitsbereich, der nichtunternehmerischen Sphäre zuzuordnen. Dies hat zur Folge, dass Ausgangsleistungen im ideellen Bereich nicht steuerbar sind, insoweit aber Eingangsleistungen für den ideellen Bereich auch nicht zum Vorsteuerabzug berechtigen.

Dagegen sind die Vermögensverwaltung, der Zweckbetrieb und die (gewerbliche) wirtschaftliche Geschäftstätigkeit eines Vereins dem unternehmerischen Bereich zuzuordnen, mit der Folge, dass die Ausgangsleistungen steuerpflichtig sind und hinsichtlich der Eingangsleistungen ein Vorsteuerabzug zu gewähren ist.

Entscheidung

Ein Vorsteuerabzug ist also nur möglich, wenn durch die Überlassung der Sportbekleidung mit Werbeaufdruck der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb der Vereine angesprochen wurde. Im Streitfall war das Finanzgericht davon überzeugt, dass diese Voraussetzung erfüllt ist, weil die Vereine durch den Gebrauch der Sportbekleidung sonstige Leistungen im Sinne des § 3
Abs. 9 UStG gegen Entgelt erbracht haben.

Zwar haben die Jugendmannschaften in der Regel nicht vor Publikum gespielt. Darauf kommt es nach Ansicht des Finanzgerichts aber nicht an. Denn die Sportler (Alter von 15 bis 20 Jahren) waren gerade die Zielgruppe, die A mit seiner Fahrschule ansprechen wollte.

Die Vereine haben somit eine Gegenleistung für die Überlassung der Sportbekleidung erbracht. Ob die Vereine eine Versteuerung dieser Leistungen vorgenommen haben, war für die Frage des Vorsteuerabzugs des A unerheblich.

Quelle | FG Niedersachsen, Urteil vom 3.1.2022, Az. 11 K 200/20, unter www.iww.de, Abruf-Nr. 227614; FG Niedersachsen, Newsletter 3/2022 vom 16.2.2022


Vorsteuerabzug bei Ist-Versteuerung erst bei Zahlung

„Ist-Versteuerer“ müssen ihre Umsätze nach § 20 Umsatzsteuergesetz (UStG) erst versteuern, wenn sie die Zahlungen erhalten haben. Leistungsempfänger können die Vorsteuer dagegen unabhängig von der Besteuerung des Leistenden mit der Leistungsausführung abziehen. So sieht es das deutsche Umsatzsteuerrecht vor. Der Europäische Gerichtshof hat aber nun eine andere Meinung vertreten.

Hintergrund: Bei der Soll-Besteuerung ist die Umsatzsteuer grundsätzlich mit der Leistungsausführung abzuführen, was die Liquidität belasten kann. Unter Voraussetzungen (z. B. Umsatz im vorangegangenen Jahr nicht mehr als 600.000 EUR) kann eine Besteuerung per Antrag auch erst im Vereinnahmungszeitpunkt erfolgen (Ist-Besteuerung).

Nach Auffassung der Finanzverwaltung entsteht das Vorsteuerabzugsrecht unabhängig von der Besteuerung des Leistenden im Zeitpunkt des Leistungsbezugs. Wesentliche Bedingungen sind die Leistungsausführung und der Empfang der Rechnung.

Der Europäische Gerichtshof hat jetzt aber Folgendes herausgestellt: „Art. 167 der Mehrwertsteuerrichtlinie ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der das Recht auf Vorsteuerabzug bereits im Zeitpunkt der Ausführung des Umsatzes entsteht, wenn der Steueranspruch gegen den Lieferer oder Dienstleistungserbringer nach einer nationalen Abweichung gemäß Art. 66 Abs. 1 Buchst. b der Mehrwertsteuerrichtlinie erst bei Vereinnahmung des Entgelts entsteht und dieses noch nicht gezahlt worden ist.“

Praxistipp | Das Urteil ist für alle Unternehmen bedeutend. Denn Leistungsempfänger können in der Regel nicht erkennen, wie der leistende Unternehmer seine Umsatzsteuer berechnet. Man darf also gespannt sein, wie der Gesetzgeber bzw. die Finanzverwaltung reagieren werden. Bis dahin dürfte aber Bestandsschutz bestehen.

Quelle |EuGH-Urteil vom 10.2.2022, Rs. C-9/20 „Grundstücksgemeinschaft Kollaustraße 136“, unter www.iww.de, Abruf-Nr. 227487


Grundstücksverkäufe: Widerruf der Option zur Umsatzsteuerpflicht ist möglich

Die Vermietung und der Verkauf von Grundstücken sind grundsätzlich umsatzsteuerfrei. Doch die Möglichkeit der Option zur Steuerpflicht und der daran anknüpfende Vorsteuerabzug bieten Gestaltungsmöglichkeiten. Ändern sich die Verhältnisse und soll die beim Erwerb eines Grundstücks ausgeübte Option später widerrufen werden, war das bislang faktisch nicht möglich. Doch nun gibt es positive Nachrichten vom Bundesfinanzhof.

Grundsätzliches

Der Verkauf und die Vermietung von Grundstücken sind umsatzsteuerfrei. Auf die Steuerfreiheit kann allerdings verzichtet werden. Diese Option setzt voraus, dass ein Umsatz an einen Unternehmer für dessen Unternehmen erfolgt. Bei Grundstückslieferungen ist zudem Voraussetzung, dass die Option im Zwangsversteigerungstermin bis zur Abgabe des ersten Gebots und in allen anderen Fällen in dem Notarvertrag ausgeübt wird.

Zeitliche Ausübung der Option

In einer Entscheidung aus 2015 hatte der Bundesfinanzhof ausgeführt, dass der Verzicht auf die Steuerbefreiung der Lieferung eines Grundstücks (außerhalb eines Zwangsversteigerungsverfahrens) nur in dem dieser Grundstückslieferung zugrunde liegenden notariell zu beurkundenden Vertrag erklärt werden kann. Ein späterer Verzicht ist unwirksam, auch wenn er notariell beurkundet wird.

Zeitliche Ausübung des Widerrufs

Nach einem aktuellen Beschluss des Bundesfinanzhofs kann die bei einem Grundstückserwerb ausgeübte Option widerrufen werden, solange die Steuerfestsetzung für das Jahr der Leistungserbringung anfechtbar oder wegen eines Vorbehalts der Nachprüfung noch änderbar ist. Denn würde das Recht zum Widerruf gleichzeitig mit dem Verzicht der Steuerbefreiung ausgeübt werden müssen, wäre der Widerruf des Verzichts faktisch ausgeschlossen.

Beachten Sie | Damit ist die anderslautende Ansicht der Finanzverwaltung überholt und muss angepasst werden.

Quelle |BFH, Beschluss vom 2.7.2021, Az. XI R 22/19, unter www.iww.de, Abruf-Nr. 225543; BFH-Urteil vom 21.10.2015, Az. XI R 40/13


Ab 2022 beträgt die pauschale Umsatzsteuer der Landwirte 9,5 %

Der Umsatzsteuer-Durchschnittssatz für die vereinfachte Besteuerung pauschalierender land- und forstwirtschaftlicher Betriebe sinkt ab 2022 von 10,7 auf 9,5 %. Daraus kann insbesondere für Betriebe mit erheblichen Investitionen eine (deutliche) steuerliche Mehrbelastung resultieren.

Hintergrund

Nach § 24 Umsatzsteuergesetz können Betriebe bis zu einem Jahresumsatz von 600.000 EUR die Pauschalierung nutzen. Das Jahressteuergesetz 2020 regelt, dass die Höhe der Vorsteuerbelastung der pauschalierenden Landwirte jährlich anhand aktueller statistischer Daten überprüft werden muss – sie ist ein wichtiges Kriterium für die Festlegung der Durchschnittssätze.

Nach Angaben der Bundesregierung wäre der Durchschnittssatz von 10,7 % ab 2022 nicht mehr zulässig, weil er gegen die EU-Richtlinie über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem verstoßen würde.

Quelle | Gesetz zur Umsetzung unionsrechtlicher Vorgaben im Umsatzsteuerrecht, BGBl I 2021, S. 5250; 1014. Sitzung des Bundesrats vom 17.12.2021, BundesratKOMPAKT, TOP 2, Änderungen bei Steuer für landwirtschaftliche Betriebe


Entscheidung zum Vorsteuerabzug bei unentgeltlicher Zuwendung

Der Bundesfinanzhof hat über den Vorsteuerabzug aus der Ausbaumaßnahme an einer öffentlichen Straße entschieden, die nach der Fertigstellung unentgeltlich an die Gemeinde überlassen wurde.

Zuletzt hatte der Bundesfinanzhof einen solchen Fall in 2011 entschieden. Danach war der Unternehmer, der bereits bei Bezug von Eingangsleistungen beabsichtigt, die Leistungen ausschließlich und unmittelbar für eine unentgeltliche Entnahme zu verwenden, nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt.

Wegen der in der Zwischenzeit ergangenen Rechtsprechung zweifelte der Bundesfinanzhof jedoch an seiner Ansicht und rief den Europäischen Gerichtshof an. Dieser entschied, dass dem Steuerpflichtigen auf der Eingangsseite der Vorsteuerabzug zusteht, während auf der Ausgangsseite keine Besteuerung einer unentgeltlichen Wertabgabe erfolgt.

Auszug aus dem 1. Leitsatz der Entscheidung:

  • „Ein Steuerpflichtiger (hat) ein Recht auf Abzug der Vorsteuer …, wenn diese Straße sowohl von diesem Steuerpflichtigen im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit als auch von der Öffentlichkeit benutzt wird, soweit diese Ausbauarbeiten nicht über das hinausgingen, was erforderlich war, um diesem Steuerpflichtigen zu ermöglichen, seine wirtschaftliche Tätigkeit auszuüben, und ihre Kosten im Preis der von diesem Steuerpflichtigen getätigten Ausgangsumsätze enthalten sind.“

Dieser Rechtsprechung schloss sich der Bundesfinanzhof nun an. Er machte deutlich, dass auch ein mittelbarer Zusammenhang zwischen Eingangs- und Ausgangsleistung für den Vorsteuerabzug ausreichend ist. Zudem ist eine Besteuerung der unentgeltlichen Wertabgabe nur in den Fällen durchzuführen, in denen ein unversteuerter Letztverbrauch droht.

Quelle |BFH-Urteil vom 16.12.2020, Az. XI R 26/20 (XI R 28/17), unter www.iww.de, Abruf-Nr. 222374; EuGH-Urteil vom 16.9.2020, Rs. C-528/19; BFH-Urteil vom 13.1.2011, Az. V R 12/08


Ab 2022 gilt eine neue 10 %-Grenze für Aufsichtsratsmitglieder

Der Bundesfinanzhof hat 2019 – entgegen bisheriger Rechtsprechung – entschieden, dass das Mitglied eines Aufsichtsrats nicht als umsatzsteuerlicher Unternehmer tätig ist, wenn es wegen einer nicht variablen Festvergütung kein Vergütungsrisiko trägt. Nun hat auch das Bundesfinanzministerium seine Sichtweise angepasst. Unter Ausblendung der verfügten Sonderregelungen für Beamte und politische Mandatsträger gelten folgende Grundsätze:

Eine Festvergütung liegt insbesondere bei einer pauschalen Aufwandsentschädigung vor, die für die Dauer der Mitgliedschaft im Aufsichtsrat gezahlt wird. Sitzungsgelder für tatsächliche Teilnahmen sowie nach dem tatsächlichen Aufwand bemessene Aufwandsentschädigungen sind allerdings keine Festvergütung.

Besteht die Vergütung des Mitglieds sowohl aus festen als auch aus variablen Bestandteilen (Mischvergütung), ist es grundsätzlich selbstständig tätig, wenn die variablen Bestandteile im Kalenderjahr mindestens 10 % der gesamten Vergütung (einschließlich erhaltener Aufwandsentschädigungen) betragen. Reisekostenerstattungen sind keine Vergütungsbestandteile und demzufolge bei der Ermittlung der 10 %-Grenze nicht zu berücksichtigen. Diese Kriterien sind für jedes Mandat eines Aufsichtsrats separat zu prüfen.

Das Bundesfinanzministerium weist darauf hin, dass in begründeten Fällen Ausnahmen möglich sind, ohne dies näher auszuführen.

Beachten Sie | Die Neuregelungen sind in allen offenen Fällen anzuwenden. Es gibt jedoch eine Nichtbeanstandungsfrist, wonach die bisherige Sichtweise auf Leistungen angewendet werden kann, die bis einschließlich dem 31.12.2021 ausgeführt worden sind.

Quelle |BMF-Schreiben vom 8.7.2021, Az. III C 2 – S 7104/19/10001 :003, unter www.iww.de, Abruf-Nr. 225274; BFH-Urteil vom 27.11.2019, Az. V R 23/19 (V R 62/17)


Garantiezusagen von Kfz-Händlern: Neue Regeln erst ab 2023

Nach einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs aus 2018 ist die entgeltliche Garantiezusage eines Kfz-Händlers keine unselbstständige Nebenleistung zur Fahrzeuglieferung, sondern eine eigenständige Leistung. Ursprünglich wollte das Bundesfinanzministerium die neue Rechtsprechung bereits auf Garantiezusagen anwenden, die nach dem 30.6.2021 abgegeben werden. Dann erfolgte eine Verlängerung (ab dem 1.1.2022). Da auch diese Frist offensichtlich zu kurz angesetzt wurde, gilt die neue Sichtweise nun für Garantiezusagen, die ab dem 1.1.2023 erteilt werden.

Enorme Auswirkungen für die Praxis

Händler, die Autokäufern eine Garantiezusage erteilen, werden steuerrechtlich gesehen zu Versicherern. Im Zweifel müssen sie sich daher u. a. beim Bundeszentralamt für Steuern registrieren lassen, Versicherungssteuer abführen und entsprechende Aufzeichnungspflichten beachten.

Wegen der versicherungssteuerpflichtigen, aber umsatzsteuerfreien Garantiezusagen ist der Vorsteuerabzug des Händlers aus den Eingangsleistungen im Zusammenhang mit diesen steuerfreien Umsätzen grundsätzlich ausgeschlossen.

Quelle | BMF-Schreiben vom 18.10.2021, Az. III C 3 – S 7163/19/10001 :001, unter www.iww.de, Abruf-Nr. 225347; BFH-Urteil vom 14.11.2018, Az. XI R 16/17


Pauschalangebot einer Fremdenpension: Regelsteuersatz für Frühstücksleistungen

Nach Meinung des Finanzgerichts Hessen (Revision anhängig) gehören Frühstücksleistungen zu den Leistungen, die „nicht unmittelbar der Vermietung dienen“, sodass der ermäßigte Steuersatz (7 %) nicht in Betracht kommt. Dies soll auch dann gelten, wenn für Übernachtung und Frühstück ein Pauschalpreis vereinbart wurde und die Gäste keine Möglichkeit haben, auf das Frühstück (unter Verringerung des Entgelts) zu verzichten. Das Finanzgericht hält den Ausschluss von Frühstücksleistungen von der Steuerermäßigung für Beherbergungsleistungen für EU-konform.

Die Frage der Vereinbarkeit des Aufteilungsgebots mit EU-Recht ist jedoch im Hinblick auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs umstritten. Hiernach könnte der Mehrwertsteuersatz der Hauptleistung – der Vermietung – auch für die Nebenleistung
– Frühstück – gelten, zumindest dann, wenn es sich um eine einheitliche Leistung handelt.

Neben weiteren anhängigen Verfahren hat der Bundesfinanzhof nun auch bei der vorliegenden Konstellation – Frühstückspension mit Pauschalangebot – Gelegenheit, die Frage der Anwendbarkeit des Aufteilungsgebots zu klären.

Quelle | FG Hessen, Urteil vom 16.9.2020, Az. 1 K 772/19, Rev. BFH Az. XI R 7/21, unter www.iww.de, Abruf-Nr. 224786; EuGH-Urteil vom 18.1.2018, Rs. C-463/16, Stadion Amsterdam


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