Nach allgemeiner Lebenserfahrung werden betriebliche Fahrzeuge, die auch zur Nutzung für private Zwecke zur Verfügung stehen, tatsächlich auch privat genutzt. Es kommt jedoch eine Erschütterung dieses Anscheinsbeweises in Betracht, wenn für Privatfahrten ein weiteres Fahrzeug zur uneingeschränkten Nutzung zur Verfügung steht. Voraussetzung für eine solche Entkräftung ist jedoch, dass dieses Privatfahrzeug in Status und Gebrauchswert vergleichbar ist. Mit diesen Kriterien hat sich das Finanzgericht Niedersachsen nun näher befasst.
Sachverhalt |
Im Streitfall nutzte der alleinige Kommanditist einer GmbH & Co. KG einen im Betriebsvermögen befindlichen, im Jahr vor dem Streitjahr neu angeschafften Pkw (Fiat Doblo Easy 2.0 16V Multijet; Kastenwagen) für betriebliche Zwecke, insbesondere für tägliche Fahrten zu den Betriebsstätten. Ein Fahrtenbuch wurde nicht geführt. Bei einer Außenprüfung rügte der Prüfer den fehlenden Ansatz eines Privatanteils nach der Ein-Prozent-Regelung. Dass ein Mercedes-Benz C 280 T (Baujahr 1997) zur alleinigen Verfügung des Kommanditisten im Privatvermögen vorhanden war, erschütterte den für die Privatnutzung sprechenden Anscheinsbeweis nach Meinung des Prüfers nicht. Nach seiner Auffassung war dieses Fahrzeug
mit dem Fiat vergleichbar. Das Finanzgericht Niedersachsen sah das aber anders. |
Nach Auffassung des Finanzgerichts ist unter dem Begriff „Gebrauchswert“ der Wert einer Sache hinsichtlich ihrer Brauchbarkeit und ihrer Eignung für bestimmte Funktionen und Zwecke (Nutzwert) zu verstehen. In diesem Zusammenhang können Umstände wie Motorleistung, Hubraum, Höchstgeschwindigkeit und Ausstattung Berücksichtigung finden. Unter dem Aspekt des „Status“ sind dagegen vornehmlich Prestigegesichtspunkte zu berücksichtigen.
Nach diesen Maßstäben gelangte das Finanzgericht zu der Überzeugung, dass der im Privatvermögen vorhandene Mercedes-Benz trotz des Alters, der weitaus höheren Laufleistung und des (veralteten) technischen Zustandes mit dem betrieblichen Fiat in Status und Gebrauchswert mindestens vergleichbar war. Für das Finanzgericht war der für eine Privatnutzung des Fiats sprechende Beweis des ersten Anscheins damit erschüttert – eine Besteuerung der Privatnutzung schied folglich aus.
Rechtslage bei Arbeitnehmern
Bei Arbeitnehmern ist die Rechtslage anders. Hier führt die unentgeltliche oder verbilligte Überlassung eines Dienstwagens für die Privatnutzung zu einem lohnsteuerlichen Vorteil
– und zwar unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer den betrieblichen Pkw tatsächlich privat nutzt. Ob der Arbeitnehmer den Anscheinsbeweis zu entkräften vermag, ist unerheblich.
Hat der Arbeitgeber indes ein Nutzungsverbot ausgesprochen, liegt kein geldwerter Vorteil vor. Das Nutzungsverbot muss durch entsprechende Unterlagen (z. B. eine arbeitsvertragliche oder andere arbeits- oder dienstrechtliche Rechtsgrundlage) nachgewiesen werden.
Nach einem Schreiben des Bundesfinanzministeriums steht dem Nutzungsverbot ein ausdrücklich mit Wirkung für die Zukunft erklärter schriftlicher Verzicht des Arbeitnehmers auf die Privatnutzung gleich, wenn aus außersteuerlichen Gründen ein Nutzungsverbot des Arbeitgebers nicht in Betracht kommt und der Nutzungsverzicht dokumentiert wird. Die Nutzungsverzichtserklärung ist als Beleg zum Lohnkonto aufzubewahren.
Quelle | FG Niedersachsen, Urteil vom 19.2.2020, Az. 9 K 104/19, unter www.iww.de, Abruf-Nr. 215553; FG Niedersachsen, Newsletter 4/2020 vom 7.5.2020; BMF-Schreiben vom 4.4.2018, Az. IV C 5 – S 2334/18/10001