Das Bayerische Landesamt für Steuern hat auf die unterschiedliche Sichtweise zur steuerlichen Behandlung des Nutzungsersatzes bei Rückabwicklung eines Darlehensvertrags hingewiesen.
Hintergrund: In den vergangenen Jahren nutzten viele Darlehensnehmer die Chance, ihren Darlehensvertrag wegen einer fehlerhaften Widerrufsbelehrung zu widerrufen, um in einen Vertrag mit niedrigeren Zinsen zu wechseln oder eine Restschuld ohne Vorfälligkeitsentschädigung in einem Betrag tilgen zu können. Durch den Widerruf wurde der Darlehensvertrag rückabgewickelt, d. h., die Bank erhielt den Darlehensbetrag zurück, der Darlehensnehmer die Zins- und Tilgungsraten. Daneben musste der Darlehensnehmer einen Wertersatz für das erhaltene Darlehen zahlen. In bestimmten Fällen schuldete die Bank zudem die Herausgabe von Nutzungsersatz, da die Bank mit den erhaltenen Raten wirtschaften konnte.
Nach der Verwaltungsauffassung handelt es sich bei der Zahlung von Nutzungsersatz um einkommensteuerpflichtige Kapitalerträge. Die Finanzgerichte stufen solche Zahlungen unterschiedlich ein. So hat z. B. das Finanzgericht Baden-Württemberg entschieden, dass ein dem Steuerpflichtigen im Rahmen der Rückabwicklung eines Darlehensvertrags zugewiesener Nutzungsersatz nicht als Kapitalertrag zu erfassen ist. Andere Finanzgerichte (z. B. das Finanzgericht Nürnberg) sehen das aber anders.
Beachten Sie | Man darf gespannt sein, wie sich der Bundesfinanzhof in den (zahlreichen) Revisionsverfahren positionieren wird. In geeigneten Fällen können Steuerpflichtige bis zu einer höchstrichterlichen Klärung ihre Steuerbescheide durch einen Einspruch offenhalten und ein Ruhen des Verfahrens beantragen.
Quelle | LfSt Bayern vom 2.6.2022, Az. S 2204.1.1-4; FG Baden-Württemberg, Urteil vom 8.12.2020, Az. 8 K 1516/18, Rev. BFH Az. VIII R 5/21; FG Baden-Württemberg, Urteil vom 16.12.2021, Az. 12 K 1404/20, Rev. BFH Az. VIII R 3/22; FG Nürnberg, Urteil vom 3.3.2021, Az. 3 K 179/19, Rev. BFH Az. VIII R 11/21